Gute Konkurrenz? Teil 4: Konkurrenz kann zu besseren Regeln und Ergebnissen führen

Allgemein

Verehrte Leserinnen und Leser, als positive Aspekte der Konkurrenz wurden in dieser Serie bisher thematisiert: Aktivierung (1), Förderung der Selbstentwicklung (2), Effizienzsteigerung und Ergebnismessung (3). Heute ergänze ich diese um weiteres positives Potenzial, nämlich um die mögliche Erhöhung der Qualität von Regeln und Ergebnissen.

In Gesprächen und auch in meinem eigenen Erleben begegnen mir immer wieder negative Vorurteile gegenüber Wettbewerbsverhalten. Die in dieser Serie vorgenommene wohlwollende Annäherung an das Konkurrenzprinzip beginnt nach und nach, diese festgefügten Haltungen zu lockern und Ansatzpunkte zu identifizieren, mit denen wir Konkurrenz konstruktiv in unsere Beziehungsgeflechte integrieren können.

Wer von Euch ist beispielsweise nicht an besseren Regeln für alle InteraktionsteilnehmerInnen interessiert oder an der wirksamsten Lösung für die drängstendsten Erfordernisse unserer Zeit?

Pluspunkt 5: Konkurrenz kann Regeln verbessern

Für einen guten Wettbewerb sind Fairness und Respekt grundlegend. Wenn ich der Konkurrenz ausweiche, verpasse ich die Möglichkeit, eine faire und respektvolle Interaktion zu erleben und selbst mitzugestalten.

Im guten Wettbewerb verhalten sich die TeilnehmerInnen wertschätzend und achten die eigenen Grenzen und die des Gegenübers. Wenn ich Konkurrenz vermeide, verpasse ich die Möglichkeit, in der Interaktion eigene und fremde Grenzen wahrzunehmen und Wertschätzung zu üben und zu erfahren.

Wenn ich an einem Wettbewerb teilnehme, habe ich die Möglichkeit, mich mit den anderen TeilnehmerInnen konstruktiv über die Wettbewerbsregeln zu verständigen. Wenn ich mich aus dem Wettbewerb ausklinke, kann meine Perspektive nicht in die Verhandlung um bessere und gerechtere Regeln einfließen.

Im guten Wettbewerb sind der Bewertungsprozess und seine Kriterien transparent und protokolliert. Wenn ich an einem solchen Wettbewerb nicht teilnehme, mache ich nicht die Erfahrung des Vertrauens und der Sicherheit, die von einer klaren Regelgrundlage für die Interaktion ausgeht. Und ich kann nicht daran mitwirken, diese transparente und vertrauensfördernde Grundlage gemeinsam mit anderen TeilnehmerInnen herzustellen.

Die Aushandlung von fairen Regeln im Wettbewerb kann zu einer grundlegenden Verständigung über Gerechtigkeit führen. Wenn ich am Wettbewerb nicht teilnehme, verpasse ich es, diesen Diskurs hautnah zu verfolgen, die Perspektiven der anderen TeilnehmerInnen kennenzulernen, meine Perspektive einzubringen und zu verstehen, wie anspruchsvoll es ist, faire Regeln zu entwickeln.

An Wettbewerb ist generell gut, dass es auch einen Wettbewerb um faire Spielfelder gibt. Ist eine Konkurrenzsituation grundlegend unfair angelegt, habe ich die Möglichkeit, den Wettbewerb abzubrechen und mir neue MitspielerInnen auf anderen Spielfeldern zu suchen. Gäbe es keinen Wettbewerb, hätte ich nur die Möglichkeit, in der unfairen Situation zu bleiben oder mich ganz zurückzuziehen.

Demokratie ist ein System politischen Wettbewerbs. Wenn ich dieses System nicht wertschätze, laufe ich Gefahr, dem Wunsch nach Komplexitätsreduktion nachzugeben und den Ausschluss von TeilnehmerInnen, Perspektiven und Lösungsvorschlägen am politischen Wettbewerb direkt oder indirekt zu fördern. Wenn ich mich selbst nicht als TeilnehmerIn dieses Systems begreife, können meine Problemwahrnehmungen und Lösungsvorschläge nicht in den demokratischen Wettbewerb einfließen.

Pluspunkt 6: Konkurrenz kann die Qualität des Ergebnisses steigern

Wettbewerb kann mich dazu anregen, etwas Besseres als das Vorhandene zu tun oder zu erfinden. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass ich den Status Quo nicht hinterfrage.

Wettbewerbe können mich anspornen, mehr Mühe, Sorgfalt und Eile in ein Vorhaben zu investieren. Ohne den Wettbewerb kann es passieren, dass die Lösung nicht ausreichend durchgearbeitet ist und zu spät auf einen drängenden Veränderungsbedarf antwortet.

Ich kann auch mit mir selbst konkurrieren, um die eigene Leistung oder die von mir vorher produzierte Lösung zu übertreffen. Ohne diesen Antrieb könnte ich in einen Stillstand geraten und mich mit Leistungen und Lösungen abfinden, die meine eigenen Veränderungsbedarfe oder die meiner Zielgruppe nicht adäquat erwidern.

Der Druck der Konkurrenz kann Lösungen für drängende Veränderungsbedarfe hervorbringen, die diesen Bedarfen innovativer, spezifischer, hochwertiger, schneller und / oder preisgünstiger begegnen als andere bzw. bereits vorhandene. Auch wenn ich an diesem Wettbewerb nicht unmittelbar teilnehme, kann es sein, dass ich als NutzerIn der Lösungen von diesem Wettbewerb profitiere. Ohne Konkurrenz könnte es passieren, dass existierende Lösungen nicht wirksam genug sind, für zu wenige Menschen zugänglich sind oder zu spät eintrudeln.

Durch die Teilhabe am Wettbewerb, eine wachsende Anzahl an WettbewerbsteilnehmerInnen und den Vergleich unter ihnen setzen sich gute Dinge (z.B. faire und nachhaltige Produkte und Services) nach und nach durch. Ohne Wettbewerb kann es passieren, dass eine solche langfristige, durch viele Faktoren befeuerte Dynamik nicht in Gang kommt oder zu schnell wieder verebbt.

Soweit der fünfte und sechste Konkurrenz-Pluspunkt »Konkurrenz kann Regeln verbessern« und »Konkurrenz kann die Qualität des Ergebnisses steigern«.

Findet Ihr auch, dass fairere Regeln und wirksamere Ergebnisse starke Argumente für das Konkurrenzprinzip sind? Wie können unsere alltäglichen Wettbewerbe so ausgestaltet werden, dass sie diese wünschenswerten Früchte hervorbringen? Es lohnt sich, die Interaktionen in unseren Beziehungen, Teams, Familien und Organisationen unter die Lupe zu nehmen, unsere Phantasie zu mobilisieren und individuell und kollektiv zu beginnen, mit unseren Interaktionen zu experimentieren.

Nun sind schon sechs Pluspunkte für gute Konkurrenz veröffentlicht. Ich verrate heute, dass noch vier weitere sehr wesentliche auf Euch warten, zwei davon demnächst in Teil 5 dieser Serie, verehrte Leserinnen und Leser!