Verehrte Leserinnen und Leser, im Teil 1 dieser Serie über »gute Konkurrenz« ging es darum, dass Konkurrenz in der Lage ist, uns zu aktivieren. Jetzt geht es um einen weiteren positiven Aspekt — die Förderung der Selbstentwicklung.
Das Ziel dieser Serie ist eine wohlwollende Annäherung an das Konkurrenzprinzip: Dieses ist aus meiner Sicht untrennbar mit Kooperation und Konflikt verbunden, wie ich ausführlich in Teil 1 und ausführlicher in meiner Masterthesis betrachtet habe. Wenn Konkurrenz de fakto aus menschlichen Interaktionen nicht wegzudenken ist, führt es nicht weiter, sie ausgrenzen zu wollen.
Die Vision ist die Kultivierung von Konkurrenz: Der Weg dahin führt zum einen über die Auseinandersetzung mit unserer individuellen Einstellung zu Konkurrenz. Zum anderen kann ein Dialog in Gruppen, Teams und Organisationen dazu führen, destruktive Konkurrenz zu entlarven und gemeinsam Formen »guter Konkurrenz« zu finden und zu erproben.
Dabei kann der Fokus auf den folgenden Aspekt unterstützen:
Pluspunkt 2: Konkurrenz fördert Selbstentwicklung
Wenn ich Konkurrenz erlebe, kann in mir Veränderungswille entstehen. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass es keine Impulse von außen gibt, die mich in eine Bewegung hin zum Besseren bringen.
Durch Konkurrenz kann ich sehen und erleben, was noch möglich ist. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass mir (Vor-)Bilder und Gefühlszustände fehlen, die in mir den Wunsch erzeugen, meinen Status Quo zu erweitern.
Konkurrenz kann mich dazu bringen, nicht beim Status Quo stehenzubleiben. Ohne Konkurrenz kann es passieren, das alles so bleibt wie es ist — im Guten wie im Schlechten.
In Konkurrenz kann ich die Möglichkeit ergreifen, über mich selbst hinauszuwachsen, und herausfinden, was meine eigene Höchstleistung ist. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass ich Entwicklungsmöglichkeiten nicht sehe und nicht erlebe, wozu ich fähig bin.
Wettbewerb kann mich dazu bringen, gut abschneiden zu wollen und Ehrgeiz zu entwickeln. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass ich meine Fähigkeiten nicht fördere und anwende.
Wenn ich mich dem Wettbewerb aussetze, kann mich das dazu anregen, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, um zu wachsen, mich selbst zu definieren, zu kennen, zu wissen, was ich kann, wohin ich will und wofür ich das, was ich tue, mache. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass ich nicht in die Selbsterforschung und Selbstentwicklung einsteige.
Konkurrenz kann mich dazu bringen, an mein eigenes Potenzial zu glauben, auch indem ich im Wettbewerbsfeld Menschen erlebe, die an ihr Potenzial glauben und die mich und andere ermutigen, an ihr Potenzial zu glauben. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass mein Potenzial unbemerkt und unterbewertet bleibt — von mir und anderen.
Konkurrenz kann mich dazu bringen, in mein eigenes Potenzial zu investieren, im Wettbewerbsfeld Menschen zu erleben, die ebenfalls in ihr Potenzial investieren und die mich und andere ermutigen, in ihr Potenzial zu investieren. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass mir Risikobereitschaft und Förderung von anderen fehlen, um mein Potenzial ernstzunehmen und tatkräftig zu entwickeln.
Konkurrenz kann mich dazu bringen, mit meinem eigenen Potenzial zu arbeiten, im Wettbewerbsfeld Menschen zu erleben, die mit ihrem Potenzial arbeiten und die mich und andere ermutigen, mit ihrem Potenzial zu arbeiten. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass ich nicht in eine intensive, potenzialfördernde Interaktion mit mir selbst — auch im Austausch mit anderen — eintrete und dazu von anderen ermutigt werde.
Meine intrinsische Motivation kann mich dazu bringen, an einem Wettbewerb teilzunehmen und meine Leidenschaft zu erproben. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass meine Leidenschaft ohne Spielfeld nur auf kleiner Flamme brennt oder sogar ganz erlischt.
Konkurrenz kann mich dazu bringen, meinen Mut zu beweisen, das Risiko einzugehen, zu gewinnen oder zu verlieren und mit der eigenen Leistung — so oder so — sichtbar zu werden. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass ich mich ängstlich in der Komfortzone verstecke, um nicht schlecht — aber auch nicht gut — dazustehen.
Konkurrenz kann mich dazu bringen, stolz auf meine eigene Leistung zu sein, die ich im Wettbewerb erleben kann und die für andere sichtbar wird. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass mir meine Fähigkeiten nicht bewusst werden und dass ich für andere Menschen nicht greifbar bin.
Ich kann im Wettbewerb bei mir bleiben, ohne mich auf persönlicher Ebene zu vergleichen, und gleichzeitig durch Vorbilder inspiriert und motiviert werden. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass ich das fruchtbare Spannungsfeld von Selbstzentrierung im gleichzeitigen Kontakt mit Vorbildern nicht auszubalancieren lerne.
Ich kann im Wettbewerb meine eigenen Werte und Bedürfnisse berücksichtigen. Ohne Konkurrenz kann es passieren, dass ich meine Werte und Bedürfnisse nicht unter Beweis stellen muss und damit die Chance vergebe, eine kompetitive Interaktion werteorientiert zu gestalten — auch zum Nutzen der anderen Beteiligten.
Soweit der zweite Konkurrenz-Pluspunkt »Konkurrenz fördert Selbstentwicklung«.
Werden für Euch die Möglichkeiten schon spürbarer, die in »guter Konkurrenz« schlummern? Wie könnte eine konkrete Anwendung in Euren beruflichen und privaten Zusammenhängen aussehen? Wie könnt Ihr Konkurrenz werteorientiert leben und ihre Kraft für Eure Selbst- und Teamentwicklung nutzen? Mit wem möchtest Du ein Gespräch zu destruktiver und »guter Konkurrenz« beginnen?
Ich wünsche mir, dass Euch diese Sichtweise neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Und das ist noch lange nicht alles, was über »gute Konkurrenz« zu sagen ist. Seid deshalb jetzt schon gespannt auf Teil 3 mit dem nächsten Konkurrenz-Pluspunkt, verehrte Leserinnen und Leser!